Pflegefachkräfte mit Tablet-PCs auf neuen Qualifizierungswegen

Wie funktioniert hier die berufliche Weiterbildung? Und welchen Beitrag kann das digitale Lernen leisten?

In Deutschlands Kliniken, Pflegestationen und in der häuslichen Pflege arbeiten rund 860.000 Pflegekräfte. Fast 200.000 von ihnen befinden sich im letzten Drittel ihres Arbeitslebens und blicken bereits auf viele Dienstjahre zurück. Diese Gruppe befindet sich in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite fordert der Gesetzgeber, dass das pflegerische Handeln dem wissenschaftlichen "State of the Art" entspricht. Auf der anderen Seite müssen die Fachkräfte in der Pflege ihren anstrengenden Berufsalltag bewältigen und aus der Situation heraus verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.

Die beruflichen Anforderungen an Pflegefachkräfte steigen kontinuierlich. Die Menschen werden älter damit steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit. In den Krankenhäusern finden sich zunehmend schwer- und vielfachkranke Patienten die einer intensiven Pflege bedürfen. Aus Kostengründen werden aber nicht mehr Pflegekräfte eingestellt, so dass mit dem vorhandenen Personal in kürzerer Zeit ein Mehr an Arbeit bewältigt werden muss.

Zudem verlangt der Gesetzgeber nach dem Krankenpflegegesetz, dass Pflegebedürftige nach dem neuesten Stand der Pflege-Wissenschaft zu versorgen sind. So soll wissenschaftlich fundiertes Handeln in Pflegeberufen helfen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten in allen Gesundheitseinrichtungen zu verbessern. Das bedeutet für die Pflegenden, dass sie sich neben ihrem anstrengenden und anspruchsvollen Arbeitsalltag auch noch permanent weiterbilden müssen.

Beim den Pflegenden der Altersgruppe "50 plus" kommt hinzu, dass sie zwar über einen großen Erfahrungsschatz für ihre Berufspraxis verfügen, aber mit neuen, pflegewissenschaftlichen Methoden noch nicht hinreichend vertraut sind.

Ansatz von "Flexicare 50+"

Teilnehmerinnen und Teilnehmer am PC. Quelle: Projekt FlexiCare 50+Genau hier setzt das Projekt "Flexibles und Demografie-sensibles Lernen in der Pflege", kurz "Flexicare 50+" an. Das Projekt verfolgt das Ziel, die Pflegenden bei ihrer notwendigen berufsbegleitenden Weiterqualifizierung mit neuen, digitalen Lernmedien zu unterstützen.

Drei Lernformate

Im Rahmen des Projekts "Flexicare 50+" werden drei verschiedene Lernformen eingesetzt, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nacheinander erprobt werden. Diese zeitlichen Abschnitte greifen dabei inhaltlich systematisch ineinander.

Micro Learning

In dieser Phase stehen kleine ("micro"), modularisierte Lerneinheiten zu grundlegenden Pflegethemen zur Verfügung, die über eine eigens eingerichtete Lernumgebung (Lernplattform) der TÜV Rheinland Akademie GmbH sowohl mit dem Tablet als auch mit dem Desktop-PC absolviert werden können.

Micro Learning - Lernlektionen. Quelle: Projekt FlexiCare 50+Folgende konkrete Lernlektionen wurden im Projektverlauf bereitgestellt, nachdem die Themen in enger Abstimmung mit den Pflegenden und ihren Vorgesetzten ermittelt worden sind:

  • "Wege zum neuen Wissen" - Eigene Anfragen an die Wissenschaft am Beispiel des Umgangs mit MRSA (= multiresistente Bakterien)
  • "Bin ich noch Assistenz des Arztes?" - Das neue Berufsprofil
  • "Schwester, ich hab da mal eine Frage..." - Beratung als Methode der Entscheidungsfindung
  • "Die Fallbesprechung" - Drei Perspektiven auf Ziele und Methoden

Damit soll zunächst erreicht werden, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Beschäftigung mit den entsprechenden Inhalten sowohl mit den mobilen Endgeräten als auch neuen pflegewissenschaftlichen Grundlagen vertraut machen.

Blended Learning

In diesem Kontext steht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein "Mix" aus klassischen Präsenzseminaren, digitalen Lerneinheiten und Veranstaltungen in "Virtuellen Klassenräumen" zur Verfügung. Die in der Micro-Learning-Phase neu erworbenen Kompetenzen werden dabei weiter vertieft und der Tablet-PC zusätzlich für die Recherche zu eigenen Projektthemen eingesetzt. Inhaltlich lernen die Pflegenden dabei, ein praktisches Problem aus ihrem Arbeitsalltag mit neuen wissenschaftlichen Methoden zu lösen.

Die konkrete Vorgehensweise verdeutlicht das folgende Beispiel: An einer der Kliniken werden die Pflegekräfte häufig mit Neugeborenen konfrontiert, deren Mütter drogensüchtig waren. Bei den Kindern äußert sich dies in einer starken Unruhe und lang anhaltendem Schreien, da sie unmittelbar nach der Geburt einen Drogenentzug durchleben. Die Pflegekräfte waren im Rahmen des Projekts angehalten zur Lösung eines solchen Problems zunächst ihre eigenen Erfahrungen umfassend und systematisch zu dokumentieren (Herstellung der "internen Evidenz"), bevor sie in einem zweiten Schritt wissenschaftliche Quellen für mögliche Lösungen recherchieren sollten (Herstellung der "externen Evidenz"). Die Pflegekräfte haben dazu sowohl wissenschaftliche Datenbanken genutzt, Übersetzungshilfen für englischsprachige Fachtexte in der Form spezieller Apps verwendet und ihre gemeinsamen Erkenntnisse schließlich in einem cloud-basierten Notizprogramm gesammelt. Auf dieser Basis erstellten sie dann einen spezifischen Handlungsplan für ihr Problem, indem sie eine spezielle Wickeltechnik (das sogenannte "Pucken") als eine Lösung identifizierten, die dazu beitragen kann, die betreffenden Kinder körperlich und seelisch so zu stabilisieren, dass teilweise sogar auf eine zusätzliche medikamentöse Behandlung verzichtet werden kann.

Communities of Practice

Kommunikation und Vernetzung in der Praxis. Quelle: Projekt FlexiCare 50+Diese Lernphase bietet die Möglichkeit, sich in geschlossenen Lern-Gruppen ("Communities") im Internet zu verschiedenen berufsbezogenen Themen auszutauschen und auch Kontakt mit Pflege-Spezialistinnen und -Spezialisten aus den anderen Partner-Kliniken aufzunehmen. Die in den beiden vorangegangenen Abschnitten erworbenen Kompetenzen dienen als Basis für diesen Austausch und werden gleichzeitig um eine soziale Komponente des Lernens erweitert.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählen dabei die Themen der einzelnen Foren selber aus. Im Rahmen einer Online-Abstimmung haben sie sich in der konkreten Umsetzungsphase mehrheitlich für "Schmerzen" als Einstiegsthema entschieden. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang derzeit auch die Aspekte lebenslanges Lernen im Allgemeinen, ein Erfahrungsaustausch über die bisherigen Erfahrungen mit der Lernplattform und die Themen der beiden ersten Lernphasen aufgegriffen.

Projektrahmen

Das Projekt unter der Gesamtleitung von Frau Prof. Dr. Margot Sieger (SRH Fachhochschule für Gesundheit Gera gGmbH) wird im Rahmen des Förderprogramms "Neue Medien in der beruflichen Bildung" aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union mit insgesamt rund 1,6 Millionen Euro gefördert.

Quelle: Bmbf.de

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